Die Jalousie

Video-Kollaboration
Kunstverein Jesteburg, 2020

Videostills: Stefan Mldenberger

 

blind flying and distant socializing 2020 – ein Format des Kunstverein Jesteburg. Künstler_innen-Duos gehen eine Koopera-tion ein.
ANna Tautfest liest ihren Text Jalousie, der zu Mildenbergers Jalousie-Collagen entstanden ist, als Voice-Over zu den als Video gezeigten Collagen.

vimeo.com/412606608

Mildenberger-Tautfest-Kooperation

 
 

Ein einfaches konstruktives Gebilde. Sie ist ein Bauteil, Teil der Fassade. Der inneren, wie der äußeren. Was für eine doppelte Funktion!
Sie trennt uns von draußen, sie verbarrikadiert den Blick. Nach innen und nach außen. Halbgeöffnet gibt sie aber einen Blick frei, einen versteckten. Einen gestreiften. Sehen ohne gesehen zu werden. Im Verbergen liegt das Aufdecken nicht weit. Der Blick kann eröffnet, der Einblick gegeben werden. Manchmal zeigt uns die Verdeckung mehr von dem Ver-deckten, als wir sähen, sähen wir alles klar und deutlich vor uns liegen. Die Bedeckung, das Erahnen, geheimnisvoll. Die Zeichen, die wir täglich nutzen, die Maskeraden und Verkleidungen, die wir tragen, sie zu entschlüsseln, ihnen dahinter zu kommen, was sie verbergen, sie anzuzweifeln – Kann die Bedeckung da helfen? Welche Codes nehmen wir? Was greifen wir uns heraus – in der Gender-Bibliothek angeeignet und direkt mal angetan. Lieber ein „Cross“ zur „Norm“ oder doch ein „fit in“ ins Ganze? Welche Kodierung wir wählen, macht uns lesbar, entzifferbar. Die Einordnung meidend, gleichzeitig ein Aus-Ord-nen aus dem Ganzen suchend, zeigt sich die gewählte Maske in vollem Sonnenlicht, ohne Verschattung und Blick-Abblocker. Wie anders scheint da doch ein Ineinander zu wirken. Plötzlich gibt es keine Deutlichkeit mehr. Die Jalousie, sie bedeckt und verdeckt doch nicht. Die Bildebene wird zerteilt, zerschnitten in viele Einblicke, in ein Gitter an Durchschau-barkeit. Und bleibt ein Ganzes, ein vollständig gesetztes Bild. Der Blick zerfällt in ein vorne und ein hinten, die Streifen verschwimmen in eins, um sich schnell wieder als Einzelteile aufzudröseln. Die verdeckte Seite, das nicht Gesehene kommt in der Ergänzung eines völlig neuen Bildes zum Vorschein. Ein Blick ins Dahinter scheint sich aufzutun. Hier ereignet sich in der Reduzierung des Zugangs, im Verschatten der Images eine Erhellung, eine Eröffnung zu etwas Neuem. Die mediale Selbstinszenierung verschiedener Internet-Per-sona fließen ineinander und gehen ineinander auf. Die Versuche, sich einer Eindeutigkeit zu entziehen – sei es bei einem Künstler wie Andy Kassierer, der sich in der zigfachen Inszenierung seiner Kunstperson immer wieder neu herstellt und immer wieder anders, aber dennoch in einer Gleichheit verharrt, der er mit seinem Körper scheinbar nicht ent-kommen kann – dem es hier in der Vereinigung mit Leah Schrager endlich gelingen mag, gänzlich neu in Erscheinung zu treten. Auch für sie – die im Switchen von Kunst zu Porn ihre Auftritte in einem Dazwischen ansiedelt – vollzieht sich hier ein Akt, der ihre Welten vielleicht so nah zusammenbringt, wie es eben geht. Sie taucht als Kunstwerk, in den Jalou-sieritzen eines anderen Künstlers, in einer Ausstellung auf, die sich um Internetkunst dreht. Sie wird ergänzt, im Schatten ihrer Nicht-Präsenz wird ein anderer eingefügt. So bleibt die Lücke offen, ein Schwebezustand für immer gewährleistet. – Was mehr lässt sich wünschen im Zeitalter der fluiden Persönlichkeiten? Wo User mit User_in mit Userin verschwimmt und im nächsten Augenblick als Geist in den Netzwerken entschwunden sein wird?